Echo-Land

Für die Ausstellung "Echo-Land" haben wir uns auf die Suche nach Bildern für das Erinnern gemacht. Zunächst nahmen wir Familienfotos als verbreitetste Form dokumentierten privaten Lebens in den Blick und stellten Fragen nach Gemeinsamkeiten und Stereotypen, nach formalen Merkmalen dieser Erinnerungsstücke. Dazu gehören Motivkategorien, die für einen bestimmten Moment im Leben stehen, wie das Kind mit der Schultüte im Arm.

Alternierend mit anonymen Fotografien waren in der Ausstellung Bilder zu sehen, die auf ganz private Erinnerung zurückgehen, wie der Großvater, der in einer Werkstatt am Bach neben einem baumumstandenen Haus als Tierpräparator arbeitete (Malerei, Obst, Gemüse und Fell in Einmachgläsern).


Das Vergessen - die Kehrseite

Das Einschulungsfoto als das Fremde und das Eigene (sowohl ein anonymes als auch ein privates Bild) war der Auslöser für eine Reihe von Collagen und Schriftbildern/Textcollagen: Hierfür wurden neben Gemeinplätzen und Zitaten aus der Gehirnforschung über die Funktion des Langzeitgedächtnisses eigene Wortspiele verwendet .Die Kindheit, an die wir uns erinnern wollen und die uns doch immer wieder entgleitet, ist für immer verloren.

Es geht also immer auch um Verlust. Das "Stottern" in den Wort-Collagen bildete dabei die vergeblichen Versuche der Rekonstruktion sprachlich ab.

 

Gerüchte

Was ist Wahrheit? Was ist Erfindung?

Unterkellertes Leben und zweite Erinnerung

Gespiegelt wurde die eigene Erinnerung durch ein seltsames Interview, das die Lokaljournalisten Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews mit dem Rentner Walter Benjamin Blümchen führten. Dieser sollte Auskunft geben über geheimnisvolle Projekte in seinem Hobby/Werkstattkeller. Immer wieder schweift er jedoch ab und sinniert über unterschiedliche Temperaturzonen im Keller seines Elternhauses (Wärmflasche, Miniaturmöbel, Draht, Handwerkzeuge sowie mit weiteren seltsamen Requisiten bestücktes Kellerregal) Das Interview erinnerte Marion an Räumlichkeiten in ihrem eigenen Elternhaus. Diese Erinnerungen flossen in eine Soundinstallation im hinteren kleinen Raum ein. Eine seltsam karge Mischung aus Partykeller und Bühne andeutend (Bühne des Lebens?)lud dieser Raum zum Hören autobiographischer Texte aus unterschiedlichen Epochen, die mit seichter Instrumentalmusik unterlegt worden waren, ein. 

 

Räume

 Dem Bereich "Keller" stand der Aufbau einer halb zerfallenen Dachgaube im Schaufenster gegenüber.

Räume/Kammern/Flure haben als Bild für ineinander verschachtelte Erinnerungen und Wege des Erinnerns eine lange Tradition. 

Handelt es sich um die Dachstube eines einsamen Dichters? Zumindest deuteten literarische Texte in der daneben stehenden Installation so etwas an: Es handelte sich hierbei um einen Haufen ineinander verschachtelter alter Schrankteile und Kisten. Ein kleines Kind steht etwas verloren in einer Collage handschriftlicher Novellen und Notiz-buch-Seiten herum. Wir erinnern uns nicht nur an Erlebtes, sondern auch an Sekundäres - Berichte, Bücher, Filme etc.

Die fragilen Bauten im Schaufensterbereich muten ruinös an, verfallen. Dies könnte ein Bild sein für verschüttete oder brüchige Erinnerungen. Die daneben hängenden Familienfotos aus den 50er Jahren deuten aber auch die Anfangsjahre der BRD nach der Stunde Null an; auch ein wichtiger Wendepunkt für Künstler und Schriftsteller.

Auf einem abgemalten Foto sitzt ein Vater mit einem Jungen neben einem Koffer. Wir denken nicht an Urlaub, sondern an Flucht, obwohl das Bild das nicht hergibt. Aber wir ordnen Dinge einander zu, stecken in Schubladen. Die Bilder zerstörter Städte haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben. Zugleich wurde die Ausstellung von Flutkatastrophe und beginnendem Ukraine-Krieg mehrfach "eingeholt". Wie haben gemerkt, wie schnell sich andere Assoziationen einstellen ...

 

 Gedächtnis der Welt

Inwieweit sind wir ein Produkt der Geschichte, ist durch genetische Veränderungen der Fortgang der Welt in uns eingeschrieben? Erinnert sich etwas in uns?

 

In der Raummitte sind wir etwas allgemeiner (und, sorry, vielleicht esoterischer) geworden. Wir haben ein Bild einfachster Schriftkringel, gewissermaßen eine Urform unserer Schreibschrift darstellend, mit einem archetypischen Landschaftsbild (Meer? Ursprung des Lebens?)konfrontiert. Gegenüber stand eine mit einem Berg Weißwäsche und Spitze beladene Schubkarre. Dies stellt nicht nur vermeintlich "männliche" und "weibliche" Prinzipien dar, sondern auch das Handwerkliche, das Erschaffen der eigenen "Scholle" und das Heimelige.

Heimat. Anfang. Generationen, die Erinnerung weiter geben.

Doch wo ist die Welt bei sich? Welche Formen des Erinnerns gibt es außerhalb des menschlichen Bewusstseins? Darauf versuchen verschiedene wissenschaftliche Forschungen und Denkrichtungen wie Trans-/Posthumanismus oder der Spekulative Realismus Antworten zu geben. Und auch wir hatten das Gefühl, mit der Ausstellung gerade mal eine Tür für das Weiterarbeiten am Thema aufgestoßen zu haben ...

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